Keine Anwendbarkeit der Schonfristregelung auf die ordentliche Kündigung

manglegal | 20. February 2023

BGH, Urteil vom 05.10.2022 – VIII ZR 307/21

Tenor

1. Ein innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB erfolgter Ausgleich des Mietrückstands bzw. eine entsprechende Verpflichtung einer öffentlichen Stelle hat lediglich Folgen für die auf § 543 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 BGB gestützte fristlose, nicht jedoch für eine aufgrund desselben Mietrückstands hilfsweise auf § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB gestützte ordentliche Kündigung (Bestätigung von Senatsurteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20).

2. Diese (beschränkte) Wirkung des Nachholrechts des Mieters entspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, so dass der an Gesetz und Recht gebundene Richter (Art. 20 Abs. 3 GG) diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen darf, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war (im Anschluss an BVerfGE 69, 315, 372; 82, 6, 12 f.; Bestätigung von Senatsurteil vom 13.10.2021 – VIII ZR 91/20).

Sachverhalt

Der Beklagte mietete im März 1984 eine Dienstwohnung in Berlin von der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Die monatliche Miete betrug 307,20 € bis Juni 2013 und wurde dann um 55 € nach Anbringung eines Balkons erhöht. Ab März 2012 zahlte der Beklagte jedoch nur noch eine um 20 % geminderte Miete, da er der Meinung war, dass die Wohnung durch den Balkonanbau verschattet wurde und der Spielplatz weggefallen war. Nach einem Eigentümerwechsel im Jahr 2014 trat die Klägerin in das Mietverhältnis ein und erhob im Jahr 2017 Klage auf Zahlung der Mietrückstände. Der Beklagte zahlte jedoch weiterhin eine geminderte Miete und es kam zur fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses. Der Beklagte beglich die rückständige Miete schließlich und das Amtsgericht gab der Klage statt, während das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abänderte und die Räumungsklage abwies. Die Klägerin hat nun mit einer Revision das Ziel, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidung

Das Berufungsgericht hatte entschieden, dass die Kündigungen des Beklagten nicht wirksam waren, da er innerhalb der Schonfristzahlung seine Schulden ausgleichen konnte. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die Schonfristzahlung auch für die ordentliche Kündigung gelte. Der Bundesgerichtshof entschied jedoch, dass dies nicht der Fall ist und dass die ordentliche Kündigung unberührt von der Schonfristzahlung bleibt. Das Berufungsgericht beruft sich auf die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, aber der Bundesgerichtshof hält diese für nicht anwendbar. Daher hat die Revision Erfolg und die Klägerin hat einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gemäß der Kündigung wegen ausgebliebener Mietzahlungen.

Praxistipp

Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, die Rechtslage zu ändern. Die Übertragung der gesetzgeberischen Funktion auf die Judikative wird abgelehnt. Das Berufungsurteil argumentiert in einer Weise, die auf das gewünschte Ergebnis abzielt; verfälscht dabei jedoch den Willen des Gesetzgebers, der bisher noch keine Änderung des Anwendungsbereichs der Schonfristregelung vorgenommen hat.

Mag. jur. Carl M. Mang

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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