Corona-bedingte Betriebsbeschränkungen in der Gewerberaummiete

manglegal | 20. February 2023

Anwalt Mietrecht Lindau

BGH, Urteil vom 23.11.2022 – XII ZR 96/21

Tenor

1. Die durch die COVID-19-Pandemie bedingten Betriebsbeschränkungen eines Friseur- und Kosmetikbetriebsgeschäfts führen nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich (im Anschluss an Senatsurteil vom 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21).

2. Im Fall von Betriebsbeschränkungen, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruhen, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht (im Anschluss an Senatsurteil vom 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21).

3. Bei der Prüfung des normativen Tatbestandsmerkmals des § 313 Abs. 1 BGB ist entscheidend, ob die Folgen der Störung der Geschäftsgrundlage den Mieter so erheblich belasten, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für ihn zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Um dies beurteilen zu können, ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters erforderlich (im Anschluss an Senatsurteil vom 13. Juli 2022 – XII ZR 75/21).

Sachverhalt

Der Kläger fordert von den Beklagten als Mieter von Gewerberäumen die Zahlung der Miete für die Monate Mai bis Juli 2020 in Höhe von insgesamt 12.000 € nebst Zinsen. Die Beklagten hatten einen Friseursalon, eine Boutique und Kosmetikdienstleistungen in den Räumlichkeiten betrieben und einen Teil davon bis zum 31. Dezember 2020 untervermietet. Aufgrund der COVID-19-Pandemie war den Beklagten die Nutzung der Mieträumlichkeiten vom 23. März bis einschließlich 3. Mai 2020 für den Betrieb des Friseursalons und das Erbringen von Kosmetikdienstleistungen untersagt. In der Folgezeit mussten sie umfangreiche Auflagen einhalten, um den Betrieb wieder aufnehmen zu können. Die Beklagten zahlten die Miete für März 2020 vollständig und brachten bei der Miete für April 2020 eine Gutschrift aus der Nebenkostenabrechnung in Abzug. Sie zahlten nicht die Mieten für Mai, Juni und Juli 2020.

Die Beklagten verlangen wegen des Wegfalls der vertraglich vereinbarten Nutzungsmöglichkeit eine Rückzahlung der für den Zeitraum von 23. März 2020 bis 30. April 2020 gezahlten Miete sowie eine Auszahlung des Betriebskostenguthabens für das Abrechnungsjahr 2018/2019. Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung verurteilt, die Berufung wurde zurückgewiesen. Die Beklagten haben nun Revision gegen das Urteil eingelegt und fordern weiterhin die vollständige Klageabweisung.

Entscheidung

Die Revision der Beklagten wurde abgelehnt, da sie auf der Grundlage des Sachverhalts als unbegründet erachtet wurde. Das Berufungsgericht entschied, dass die Mieten für Mai bis Juli 2020 nicht wegen eines Mangels gemindert wurden und dass der Mietvertrag nicht aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage anzupassen war. Die Einschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie hatten keinen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Beklagten, und der Kläger hatte die Beklagten weiterhin in der Nutzung des Mietobjekts unterstützt. Die Beklagten konnten den Vertrag nicht auf eine Anpassung des Mietvertrags nach § 313 Abs. 1 BGB überprüfen lassen, da sie durch die Schließung ihres Friseur- und Kosmetikgeschäfts und der Verkaufsstelle während der COVID-19-Pandemie keine relevanten Umsatzrückgänge erlitten hatten.

Die Beklagten müssen laut § 535 Abs. 2 BGB die restliche Miete für Mai bis Juli 2020 an den Kläger zahlen. Die Miete war nicht gemindert, und die Beklagten sind nicht von ihrer Zahlungspflicht befreit. Die Miete war durch die hessischen Regulierungen aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht gemindert. Da die Beschränkungen nicht auf die körperliche Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der Mietsache zurückzuführen waren, sondern auf den Geschäftsbetrieb der Beklagten, konnte der Kläger nicht dafür haftbar gemacht werden. Außerdem gibt es keine besonderen Umstände, die die Leistung des Vermieters beeinträchtigen, wenn die öffentlich-rechtlichen Einschränkungen auf den Geschäftsbetrieb des Mieters zurückzuführen sind. Darüber hinaus war die von den Beklagten erklärte Aufrechnung nicht erfolgreich, da sie nicht berechtigt waren, die Miete für März und April 2020 einzubehalten oder zurückzufordern.

Das Gericht hat festgestellt, dass die Beklagten weiterhin zur Zahlung der Miete verpflichtet sind, obwohl ihre Nutzung der Mietimmobilie aufgrund von behördlichen Schließungen und Einschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie eingeschränkt war. Der Kläger hat seine Pflichten, die Mietimmobilie gemäß § 535 Abs. 1 BGB zur Verfügung zu stellen, trotz der eingeschränkten Nutzung erfüllt. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Beklagten keinen Anspruch auf Herabsetzung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB haben, da die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nicht erfüllt waren. Das Gericht betont, dass es nicht ausreicht, dass dem Mieter die Fortsetzung des Vertrages nur unangenehm oder mühsam ist. Vielmehr muss ein Festhalten am ursprünglichen Vertrag zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führen.

Praxistipp

Während der Zeit der eingeschränkten Nutzung hat der Vermieter seine vertraglich vereinbarte Leistung erbracht. Da im Vertrag keine Regelung für den Fall von behördlich angeordneten Betriebsuntersagungen und -beschränkungen im Rahmen einer Pandemie vorgesehen war, haftet er grundsätzlich nicht für solche Einschränkungen.

Um eine Anpassung der Miete vorzunehmen, muss eine detaillierte Darstellung aller Geschäftsverhältnisse während der betriebsbeschränkenden Maßnahmen aufgrund der Pandemie erfolgen. Dazu gehören sowohl die eigentliche Geschäftstätigkeit als auch eingesparte Kosten oder erhaltene Hilfsleistungen.

Mag. jur. Carl M. Mang

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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